LAEMMLITEXT ANDREA LÄMMLI, DIE TEXTERIN IN SOLOTHURN
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Rassenkatzen. Zu 91% genau so passiert.

18/8/2014

 
Zürich Rümlang, Grillparty, Wohnungseinweihung.

Den Gastgeber kenne ich nicht. Ich wollte eine Bekannte begleiten und die bleibt nun mit Bauchkrämpfen zu Hause. Bei uns im Dorf ist wenig los, auf den Show-Abend des Turnvereins habe ich keine Lust, also fahre ich alleine nach Zürich.

„Herzlich Willkommä zu miinere Wohnigsiwäihig". Pat, der Gastgeber, begrüsst mich wie eine alte Bekannte, obwohl ich ihm nie zuvor begegnet bin.

Ich trete in die fremde Wohnung, der weisse Plattenboden schreit: Zieh deine Schuhe aus! Alle Neuankömmlinge bekommen eine kleine Führung durch die Räume. Ich bin beeindruckt – ganz besonders von den Vorhängen im Esszimmer: Die sind an der Wand befestigt, gerafft, der schwere, weisse Stoff in schönster Faltlage, zuziehen geht nicht.

Die Stühle am antiken Tisch stehen da, wie Soldaten in Achtungsstellung, auf dem Tisch, einsame Häppchen. Hat jemand die Lederstühle mit Olivenöl eingerieben?
„De Chronlüüchter han ich chürzlich in Berlin gfunde. Isch es total günschtigs Schtück gsi."  Ich glaube, in der Stimme des Hausherrn einen feinen Unterton von Stolz zu hören und muss an einen Werbeslogan von IKEA denken. Der Rundgang geht weiter. Wir dürfen einen Blick in den riesigen, weissen Schrank der Ankleide werfen. Da hängen etwa zwanzig Anzüge. Weisse, dunkelblaue, schwarze. Pat erklärt: „Ich han alli Azüüg drüü Mal. Ich kämpf total mit mine Kilos – mal meh und mal weniger. So han ich immer en perfekt sitzende Azuug parat." 
Im Schlafzimmer steht ein Riesenbett, mitten im Raum, gar nicht kuschlig, rundherum wachsen dekorative Büchertürme vom Boden in die Höhe. Schwere, gebundene Schunken sind es, ich vermute, ungelesen.

Im Wohnzimmer hängt ein Flachbildschirm, grösser als mein Küchentisch. Auf dem weissen Hochflorteppich sitzt eine weisse Katze mit flachem Gesicht und stilvollem Namen (Den Namen nenne ich aus Gründen der Diskretion wohl besser nicht) Diese Katze, erzählt Pat, ist eine Rassenkatze und der Stolz in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Das Designersofa teilen sich drei Cüpli trinkende Rassefrauen. Bin ich hier die einzige Frau mit flachen Schuhen? Egal. Der Bauch knurrt.

Draussen auf dem Grill glüht die Kohle. Ich lege meine Schweinsbratwurst neben eine Lachstranche und zwei Lammfilets und setze mich auf den einzigen freien Ledergartenstuhl. Mein zufälliger Sitznachbar, ganz in schwarz mit glänzendem Seidenfoulard, lächelt mich an; wir kommen ins Gespräch. Also eigentlich kommt er ins Gespräch.
„Hüt iss ich nüt", erzählt er, „und mit em Trinke halt ich mich äu zrügg. Bin drum grad uf Mykonos gsi und han dete total gsündigt." 
Die Umstehenden und ich erfahren auch, dass wegen der wahnsinnig gut laufenden Geschäfte leider nur eine Woche Ferien möglich war. Nach einem ausführlichen Überblick über seine überdurchschnittliche berufliche Leistungsfähigkeit erfahren wir endlich den Grund für seine Hautfarbe, die allen sofort aufgefallen ist. Seine Haut ist auf eigenartige Weise dunkel. 
„Miin Körper isch no nie mit Sunnencrème in Kontakt cho. Die händ all chräbserregendi Inhaltsstoff, wäisch." Er bedauert, dass sich der grösste Teil seiner Ferienbräune bereits wieder verabschiedet habe.

Die umstehenden Gäste hören mit. Eine Frau mit dunklem Haar und heller Haut merkt an, sie bekomme ohne Sonnencrème schon nach zehn Minuten Sonnenbrand. Sein fachmännischer Kommentar dazu, sorgt für kurzes, betretenes Schweigen. „Wäisch, ob du dich bim Sünnele vebrännsch oder nööd, das isch im Fall vorallem en mentali Gschicht."

Es ist Zeit für ein Bier und für einen neuen Sitzplatz. Ich entscheide mich für den gemütlichsten Platz in der Wohnung, setze mich zu der Rassekatze auf den Teppich und teile mit ihr meine Schweinsbratwurst.

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​Andrea Lämmli-Rudolf - Texterin mit eidg. Fachausweis - 4500 Solothurn
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