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![]() Meine Grossmutter hat die Teigwaren immer ganz weich gekocht - Grossvater mochte sie so am liebsten. So ist mein Vater mit verkochter Pasta gross geworden und bis heute mag er „al dente“ gar nicht gern. Gewohnheiten prägen unseren Geschmack, das ist beim Kochen und Essen so, und auch beim Lesen und Schreiben. Müssen wir uns in der Ausbildung oft durch Texte in verschachteltem Fachchinesisch kämpfen, werden wir diesen Schreibstil wahrscheinlich auch in unserer Diplomarbeit pflegen. Ob Sie Wiener Schnitzel oder Weisswein-Risotto bevorzugen, ist ebenfalls eine Frage des Geschmacks und darüber lässt sich bekanntlich streiten. Aber: Wie das Schnitzel fachgerecht paniert und gebraten werden soll, damit es richtig lecker schmeckt, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Es gibt Standards, was die Qualität von Speisen angeht: Ein Schnitzel soll innen saftig und aussen mit Kruste serviert werden, Risotto mögen wir cremig und mit Biss. Wer Kochen will, lernt die Grundtechniken des Kochens. Wer Schreiben will, lernt die Grundtechniken des Schreibens.
Starke Texte haben einen Job Nur wenn wir wissen, an wen sich ein Text richtet und was wir mitteilen oder bewirken wollen, können wir Inhalt und Tonalität dem Verwendungszweck anpassen. Eine minimalistisch-prägnante Sprache ist in der Gebrauchsanweisung Gold wert, in einer Jubiläumsansprache wäre dieser Sprachstil aber unanständig. Auch hier liegt der Vergleich mit dem Kochen nahe. Auf einer pompösen Hochzeit im Schloss scheint uns eine Cervelat auf dem Kartonteller skandalös; am Waldfest ist sie aber genau das Richtige. Den roten Faden spinnen Wenn Inhalt, Publikum und Ziele bestimmt sind, kümmern wir uns um den die Dramaturgie und den roten Faden. Nur wenn der Inhalt logisch geordnet und interessant portioniert ist, wird er gerne gelesen und verstanden, ohne dass sich die Leser abmühen müssten. Wahrscheinlich wird ein Text dann auch eher zu Ende gelesen. Hier würde der Vergleich mit dem Essen hinken, darum lasse ich das lieber bleiben und bleibe beim Schreiben. Das Schreiben selbst steht ganz am Schluss Die Sprache bietet einen fast unerschöpflichen Gestaltungsspielraum. Wortwahl, Sätze, Rhythmus, Zeichensetzung, Titel, rhetorische Mittel… Natürlich haben Schreibende unterschiedliche Vorlieben und Stärken und auch hier ist es wie in der Küche. Der eine Koch liebt urchige Eintöpfe mit frischen Kräutern, der andere perfektioniert das Niedergaren. Beide kennen aber die Qualitätsmerkmale guter Speisen und die Grundtechniken des Kochens. Wer diese Basics kennt, hat die Werkzeuge in der Hand um gute Qualität zu liefern. Vom Kochbuchlesen allein wird aber niemand zum Meisterkoch und auch das Schreiben will geübt sein. Selbst Roger Federer hat für seinen Erfolg unzählige Stunden hartes Training hinter sich. Talent allein reicht in keiner Disziplin. Wenn Sie sich mit dem Formulieren manchmal schwertun, zweifeln Sie bloss nicht an Ihrer Begabung. Lesen Sie viel, studieren Sie die Geheimnisse starker Sprache, bleiben Sie neugierig. Und schon bald werden Sie sich von einem leeren Blatt oder Bildschirm nicht mehr einschüchtern lassen. Schicken Sie einem alten Freund einen handgeschriebenen Brief, ihrem Patenkind eine Gruselgeschichte oder schreiben Sie den Einkaufszettel mal in Reimen. Was auch immer. Schreiben Sie. Schreiben Sie einfach drauflos, ohne den Anspruch, ein literarisches Meisterwerk zu schaffen. Sie kochen doch auch nicht mit dem Ziel, Sterneköchin zu werden, oder? |
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